Die Biene und der Kurt by Robert Seethaler

Die Biene und der Kurt by Robert Seethaler

Autor:Robert Seethaler [Robert Seethaler]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Humor
ISBN: 9783036991795
Herausgeber: Kein & Aber AG


AUS DER HÖLLE ANS RAMPENLICHT SIND ES OFT NUR EIN PAAR ZENTIMETER

Den Altenheimspeisesaal wird schon irgendein Personal aufräumen. Morgen. Heute Nacht nicht mehr. Heute Nacht dürfen die Schattenrisse von den Stuhlreihen noch ruhig ins Halbdunkle hineinragen. Ein einzelner Rollstuhl steht auch noch herum. Wie den jemand vergessen hat können, ist eigentlich auch ein Rätsel. Über der Armlehne hängt eine graue Wollweste. So sieht das aus, wenn das Vergnügen vorbei ist.

Das Einzige, was jetzt noch glänzt, ist die Brille von der Biene. Da sitzt sie alleine am Bühnenrand, hält ihre Knie umklammert, als ob die weglaufen könnten, und schaut. Wie ein dunkler Pinsel ragt der Pferdeschwanzstummel in die Luft. Die Biene denkt wahrscheinlich. Die wird wahrscheinlich zurückdenken an den Auftritt. So einen Bühnenerfolg in so jungen Jahren muss man ja erst einmal verdauen. Vielleicht denkt sie aber auch gar nicht so viel, sondern horcht nur hoch zur Decke. Dort klirren nämlich ganz leise ein paar Glasstückchen vom Luster aneinander. Als ob die was ankündigen wollen.

Und mit einem ziemlichen Kracher haut es jetzt die schwere Speisesaaldoppeleingangstür auf, und der Kurt kommt herein. Oder eigentlich stürmt er herein. Stürmt wortlos an der Biene vorbei, sieht nicht, wie die zur Begrüßung aufspringt, sich die Brille richtet und sich die Hose mit flachen Händen glatt streicht, stürmt an ihr vorbei, quer durch den Speisesaal und mit dem nächsten Kracher durch eine andere Doppeltür hindurch und wieder hinaus. In die Altenheimküche ist der Kurt da hineingestürmt. Dort, wo Tag für Tag die grüne Suppe und das gelbe Püree und die ganzen anderen Sachen fabriziert werden. In der Speisesaalküche gibt es so Schränke. Kühlschränke und auch andere. Auch welche, die nur für das Personal bestimmt sind. Und sogar einen kleinen, der ausschließlich für das Altenheimleitungsgremium reserviert ist. Den muss der Kurt gekannt haben. Oder einfach nur gefunden haben, nachdem er so in die Küche gebrettert gekommen ist und wild alle Türen aufgerissen hat. Und in diesem kleinen Schrank hat er dann auch was gefunden. Das nämlich, was er gesucht hat.

Und darum ist die Biene noch nicht einmal richtig dazu gekommen, sich wieder hinzusetzen und darüber zu spekulieren, was denn das für Geräusche sind, die da aus der Küche zu ihr herausrumoren, als es schon wieder kracht und der Kurt zurück in den Speisesaal und der Biene entgegengestürmt kommt. Eine Flasche trägt er im Arm wie ein kleines Kind. Eine große, braune Flasche ist das. Mit bunter Aufschrift. Aber die kann die Biene nicht lesen. Und dazu muss einem jetzt schon eines klar sein: Altenheimleitungsgremiumsmitglieder sind selten Feinschmecker! Deswegen ist das Braune in der Flasche auch kein Schottischer, sondern ein Weinbrand. Und zwar einer aus irgendeinem ziemlich östlich gelegenen Land. Bulgarien vielleicht oder Litauen oder so. Kann sein, dass der eigentlich nur zum Gurgeln gekauft worden ist. Das macht dem Kurt aber nichts. Der ist da manchmal nicht so heikel. Der stellt einfach die Flasche zur Biene auf den Bühnenrand und setzt sich selbst daneben.

So, und da hocken sie jetzt, die beiden Gestalten im halbdunklen Saal. Still ist es wieder.



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